Konkurs trotz Zahlung? Bundesgericht beendet pragmatische Praxis

Stellen Sie sich vor, Sie werden mit einem Konkursbegehren konfrontiert. Um den drohenden Konkurs abzuwenden, begleichen Sie die Forderung des Gläubigers in letzter Minute. Sie gehen davon aus, die Sache sei erledigt, doch dann wird trotzdem der Konkurs über Sie eröffnet. Ein Albtraumszenario? Ja, und wie ein neuer Entscheid des Bundesgerichts (BGer 5A_375/2025 vom 11. August 2025) zeigt, kann es schneller zur Realität werden, als man denkt. Das Bundesgericht hat dabei eine bisher in einigen Kantonen geübte, grosszügige Praxis beendet.

Konkurs trotz Zahlung? Bundesgericht beendet pragmatische Praxis

Im konkreten Fall wurde über eine Schuldnerin der Konkurs eröffnet. Diese hatte kurz vor der Konkursverhandlung die Forderung des Gläubigers, inklusive Zinsen und Betreibungskosten, fast vollständig bezahlt. Was fehlte, war ein Teil der Gerichtskosten für das Konkursverfahren in Höhe von CHF 133.05.

Die Schuldnerin beglich den ausstehenden Betrag erst nach der Konkurseröffnung und focht den Entscheid an. Sie argumentierte, dass mit der vollständigen Zahlung innerhalb der Beschwerdefrist die Sache erledigt sei und die zusätzliche Anforderung, ihre generelle Zahlungsfähigkeit glaubhaft zu machen, überspitzt formalistisch sei. Das Bundesgericht sah dies jedoch anders und stützte die Argumentation der Vorinstanz.

Die rechtliche Knacknuss: Echte vs. unechte neue Tatsachen (Noven)

In einer Beschwerde gegen eine Konkurseröffnung kann man zwei Arten von "neuen Tatsachen" (sogenannte Noven) vorbringen. Diese werden wie folgt unterschieden:

  1. Unechte Noven (Art. 174 Abs. 1 SchKG): Dies sind Tatsachen, die bereits vor dem erstinstanzlichen Entscheid existierten, dem Gericht aber nicht bekannt waren. Hätte die Schuldnerin im vorliegenden Fall sämtliche Kosten (inklusive der vollen Gerichtskosten) bereits vor der Verhandlung bezahlt, wäre dies ein unechtes Novum gewesen. Die Beschwerdeinstanz hätte den Konkurs aufheben müssen, ohne die Zahlungsfähigkeit der Schuldnerin zu prüfen.
  2. Echte Noven (Art. 174 Abs. 2 SchKG): Dies sind Tatsachen, die erst nach dem erstinstanzlichen Entscheid eintreten. Dazu gehört die Tilgung der Schuld nach der Konkurseröffnung. Wenn sich ein Schuldner auf ein solches echtes Novum beruft, stellt das Gesetz eine zusätzliche Bedingung: Der Schuldner muss zwingend auch seine Zahlungsfähigkeit glaubhaft machen.

Der Entscheid des Bundesgerichts

Das Bundesgericht setzt mit seinem Urteil für die ganze Schweiz eine einheitliche strenge Regelung durch.

Die Ausgangslage war, dass verschiedene kantonale Gerichte die Rechtslage unterschiedlich handhabten. So war es beispielsweise im Kanton Zürich ständige Praxis, bei einer ansonsten rechtzeitigen Schuldentilgung die verspätete Zahlung der Gerichtskosten als "vernachlässigbar" zu betrachten. Obwohl die Gerichte wussten, dass dies rechtlich ein echtes Novum darstellt, verzichteten sie in solchen Fällen  darauf, die Zahlungsfähigkeit des Schuldners zu prüfen. Andere Kantone (wie Bern oder Freiburg) verfolgten hingegen schon immer eine strengere Linie.

Dieser liberalen Praxis hat das Bundesgericht nun einen Riegel geschoben. Es stellte unmissverständlich klar: Die Zahlung der Gerichtskosten erst nach der Konkurseröffnung ist ein echtes Novum im Sinne von Art. 174 Abs. 2 SchKG. Eine Ausnahme gibt es nicht. Folglich muss der Schuldner in einem solchen Fall immer zusätzlich seine allgemeine Zahlungsfähigkeit belegen, um den Konkurs noch abzuwenden. Die grosszügigere Praxis ist damit nicht mehr zulässig.

Was bedeutet das für die Praxis?

Dieser Entscheid unterstreicht die Wichtigkeit von Präzision bei der Abwendung eines Konkurses. Folgendes ist im Ernstfall genau zu beachten: 

Vollständigkeit: Um eine Konkurseröffnung sicher abzuwenden, müssen sämtliche Forderungsbestandteile vor der Gerichtsverhandlung bezahlt sein. Das umfasst die Hauptforderung, Zinsen, Betreibungskosten und die vollständigen Gerichtskosten des Konkursverfahrens.

Prüfen Sie die Vorladung genau: In der Vorladung zur Konkursverhandlung ist der zu zahlende Gesamtbetrag oftmals aufgeschlüsselt. Stellen Sie sicher, dass Ihre Zahlung exakt diesem Betrag entspricht.

Kein Spielraum für Fehler: Selbst ein minimaler ausstehender Restbetrag führt dazu, dass der Konkurs eröffnet werden kann. Die Hürden, diesen Entscheid nachträglich aufzuheben, sind dann deutlich höher, da Sie zusätzlich Ihre Liquidität nachweisen müssen.

Ein drohender Konkurs ist eine ernste Angelegenheit, bei der jedes Detail über den Fortbestand eines Unternehmens oder die persönliche finanzielle Zukunft entscheiden kann. Umso wichtiger ist es, rechtzeitig die richtigen Schritte zu unternehmen und sich rechtlich beraten zu lassen.

Benötigen Sie rechtliche Unterstützung im Ernstfall? Wir sind gerne für Sie da.

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